Als per Kleinanzeige der letzte Brief Rudolfs verkauft wurde…

„… Excellenc Hoyos, ich lasse ihn grüßen und bitten nicht zu telegraphieren;
er soll um einen Geistlichen nach Hl. Kreuz schicken, damit in der Nacht
gebetet wird. Die Baronin lässt Graf Hoyos auch grüßen; er soll nachdenken,
was er ihr beim Prinz Reuß über die Jagd in Mayerling gesagt hat.“

Auszug aus dem Abschiedsbrief des Kronprinzen Rudolf
an seinen Diener Johann Loschek
Habsburg-Lothringen´sches Familienarchiv, Wien

Rudolfs letzte Zeilen an seine Gattin (Signatur Autogr. 1121/35-3 | Samml.: Han (-> HAD), Inv.-Nr H 29/87 ) ÖNB

Rudolfs letzte Zeilen an seine Gattin (Signatur Autogr. 1121/35-3 | Samml.: Han (-> HAD), Inv.-Nr H 29/87 ) ÖNB

Jüngst wurden die Abschiedsbriefe der Baroness Mary Vetsera, die am 30. Januar 1889 zusammen mit dem österreichischen Kronprinzen Rudolf tot in dessen Jagdschloss in Mayerling aufgefunden wurde, im Tresor der Wiener Schoeller-Bank entdeckt, was nicht verwundert: Helene Vetsera hatte beim Bankhaus Schoeller & Co. nicht nur ein Wertpapierdepot der N.Ö. Eskompte Gesellschaft, sie setzte 1921 auch Richard von Schoeller als Testamentsvollstrecker ein. Über ihn gelangten 1925 nach dem Tod der Baronin die Dokumente wohl ins Bankhaus und entgingen der Vernichtung durch den früheren Leiter der Spanischen Hofreitschule, Graf Rudolf van der Straten-Ponthoz, der auf Bitten von Helenes Schwiegertochter Margit zahllose Familienpapiere verbrannte.

Aber nicht nur die Abschiedsbriefe der Baroness, auch die letzten bekannten Handschriften des Kronprinzen haben eine bewegte Geschichte. Zwar haben wir von 20 „letzten“ Mitteilungen des Kronprinzen mehr oder minder Kenntnis, doch sind faktisch aus der Hand des Erzherzogs nur vier Dokumente erhalten, die zu seinem Abschiedsbriefen zählen: der 1935 im Faksimile veröffentlichte Brief an Kronprinzessin Stephanie, ein 1958 faksimiliert veröffentlichter Brief plus Kodizill an Ladislaus Szögyény-Marich (wohl seit 1945 im Besitz der Familie Rothschild), ein Telegramm an Erzherzog Friedrich in der Handschriftensammlung der Szechényi-Nationalbibliothek Budapest und ein Brief an Kammerdiener Johann Loschek, der im Habsburg-Lothringen´schen Familienarchiv in Wien verwahrt wird. Darüber hinaus  belegten Briefe an Erzherzogin Marie Valerie, Baron Hirsch und an Maria „Mizi“ Caspar wurden bislang nicht aufgefunden.

Besonders spannend ist der Weg des undatierten letzten Briefes, den Rudolf an seine Frau Stephanie geschrieben hatte. Nachdem 1926 Rudolfs Schwägerin, Luise von Coburg, den Brief in ihren Memoiren „Throne die ich stürzen sah“ falsch zitiert hatte, veröffentlichte seine Witwe das Schreiben 1935 in ihren Memoiren:

Liebe Stephanie!
Du bist von meiner Gegenwart und Plage befreit; werde glücklich auf Deine Art. Sei gut für die arme Kleine, die das einzige ist, was von mir übrig bleibt. Allen Bekannten, besonders Bombelles, Spindler, Latour, Wowo, Gisela, Leopold etc etc, sage meine letzten Grüße.
Ich gehe ruhig in den Tod, der allein meinen guten Namen retten kann.
Dich herzlichst umarmend, Dein Dich liebender
Rudolf.

Stephanie publizierte eine 1935 angefertigte Fotografie des Briefes, aber das Original wurde fast zur gleichen Zeit in Wien herumgereicht: Oberarchivrat Dr. Antonius Feil vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv wurde 1936 der Brief in Wien zur Begutachtung vorgelegt, da dieser in Stephanies Auftrag in London zum Verkauf angeboten werden sollte. Stephanies fürstlicher Haushalt verschlang viel Geld, ihre Liegenschaften waren verlustbringend, ihre belgische Apanage in Höhe von 50.000 Francs inflationsbedingt kaum noch etwas Wert und das Honorar der Gräfin Gatterburgs, die für sie ihre Memoiren verfasst hatten, war auch noch nicht vollständig gezahlt. Zur Auktion kam es dann jedoch nicht – die Fürstin zog die Dokumente zurück, wohl auf Druck der Familie.

Im Herbst 1944 wurde dann Rudolfs letzter Brief zusammen mit 19 weiteren Handschreiben auf Schloss Oroszvár, Stephanies Wohnsitz, vom deutschen Stadtkommandant von Budapest, SS- Obergruppenführer Edmund Veesenmayer, beschlagnahmt und nach Berlin gebracht. Dort taucht der Brief nach Kriegsende wieder auf: Der Historische Autographen-Lagerkatalog Nr. 105 der Autographenhandlung Hellmut Meyer und Ernst verzeichnet ihn im Herbst 1955 als Posten 5, der für 500 Mark ausgerufen werden sollte. Nach heutigem Kenntnisstand wurde er in die USA verkauft und dort verliert sich zunächst für viele Jahre seine Spur…

Kopie des alten Autographenkatalogs der Österreichische Nationalbibliothek.

Kopie des alten Autographenkatalogs der Österreichische Nationalbibliothek.

Bis am 1. März 1980 im Kleinanzeigenteil der „Badischen Neuesten Nachrichten“ in Karlsruhe unter der Chiffre 45470 folgendes Verkaufsangebot erschien: „Von Privat: Umfangreiche Dokumentation zur Tragödie Mayerling, dem tragischen Ereignis der Geschichte Österreichs. Die Sammlung von über 40 eigenh. Briefen und Urkunden enthält den berühmten Abschiedsbrief von Kronprinz Rudolf an seine Frau Stephanie (Tochter von König Leopold/Belgien). Verkaufspreis für die kompl. Sammlung 75.000,- DM Besichtigung nach Vereinbarung.“ Ob die Sammlung verkauft wurde, wissen wir heute nicht, doch 1987 schenkte der Komponist Friedrich Georg Zeileis  den Abschiedsbrief zusammen mit anderen Dokumenten der Autographen- und Nachlass-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, wo er heute noch sicher verwahrt wird.

2 Gedanken zu “Als per Kleinanzeige der letzte Brief Rudolfs verkauft wurde…

  1. Aber ob er wirklich echt ist, weiß immer noch keiner. Ich wurde mal darauf hingewiesen, dass die Unterschrift zu 100% einer anderen gleicht, was auf eine Fälschung hindeuten würde, da kein Mensch zweimal exakt gleich unterschreibt.

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