Schätzungen gehen davon aus, dass während des Zweiten Weltkrieges insgesamt acht bis zehn Millionen ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter im Deutschen Reich eingesetzt waren. Für Hattingen ist im Zeitraum von 1939 bis 1945 von über 10.000 ausländischen Arbeitern auszugehen (1). Ende des Zweiten Weltkrieges war demnach jeder Vierte Hattinger ein Ausländer! Kaum ein Friedhof in Hattingen, auf dem nicht Gräber der insgesamt 356 in Hattingen verstorbenen Zwangsarbeiter zu finden sind.
Allein auf dem Kommunalfriedhof in Welper wurden 122 sowjetische sowie 3 deutsche, 1 holländischer, 1 jugoslawischer und 1 polnischer Zwangsarbeiter beigesetzt. Am Ostersamstag habe ich den Friedhof besucht – und war entsetzt, in welch unwürdigem Zustand sich das dortige Kriegsgräberfeld befindet. Sehen Sie selbst:
War das Gräberfeld oberhalb der Ruhr in den letzten Jahren durchaus gepflegt, präsentiert es sich Mitte April 2020 als wilder Acker – ohne Bepflanzung, voller Wildkräuter, teilweise mit mehr als 40 Zentimeter tiefen Löchern im Boden. Das wird nicht der Rest der Winterbepflanzung gewesen sein…
In Hattingen verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung am 21. Juni 2000 eine Resolution, in der sich die Stadt Hattingen zu ihrer Geschichte und zur politischen Verantwortung im Hinblick auf die Beschäftigung von Zwangsarbeitern bekennt. Bei der Pflege der Grabstätte für ausländische Arbeiter, die während des Zweiten Weltkrieges in der Gemeinde Welper ums Leben gekommen sind, scheint sich die Stadt dieser Verpflichtung nicht (mehr?) bewusst zu sein.
Und wie die Gräber derzeit aussehen, verstößt die Stadt hier auch gegen das Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) vom 1. Juli 1965. Dieses dient, wie es in der Novellierung aus dem Jahr 2012 heißt, „dazu, der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in besonderer Weise zu gedenken und für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wach zu halten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben“. 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gelingt dies – zumindest in Welper – auf keinen Fall.
Ich habe umgehend die Stadt Hattingen um schnellstmögliche Abhilfe gebeten und den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. über den in meinen Augen unhaltbaren Zustand informiert. Schon am Ostermontag hat sich Bürgermeister Dirk Glaser gemeldet – er will der Sache nachgehen!
Quelle:
(1) Thomas Weiß, Zwangsarbeit in Hattingen, Hattingen 2008